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Zweiter Weltkrieg, 1939-45

Chapter 1, part 8 of
And Time Rolls On: The Savitri Devi Interviews

(Atlanta, Georgia: Black Sun Publications, 2005)

von Savitri Devi
Ediert von R.G. Fowler
Übersetzt von Wilhelm Hartmann

Bild: Khyberpaß.

8. Zweiter Weltkrieg, 1939-45

Eine der ersten Sachen, die mir Herr Mukherji sagte, war: „Gehen Sie zurück nach Europa. Es wird bald Krieg geben und Sie werden dort weitaus nützlicher sein, als Sie es hier sind. Gehen Sie zurück zu ihm, der in Wirklichkeit Leben und Wiederauferstehung ist, dem ein einzigen, den es heute gibt, und er ist der eine Mann auf der Welt, der Sie schätzen und verstehen wird.“ Was für eine verdammte Idiotin ich war. Ich fühlte mich in Indien nützlich. Ich arbeitete für die Hindumission, bekämpfte christliche Missionare, islamische Missionare, den Kommunismus, alles was gegen die hinduistische Tradition, die arische Tradition gerichtet war. Und ich fühlte mich nützlich. Ich war eine verdammte Idiotin. Ich dachte: „Wer wird aus Mein Kampf zitieren, wenn ich fortgehe?“ Als ob es wichtig gewesen wäre, in Bengali oder Hindi in Bihar, Bengalen, Assam aus Mein Kampf zu zitieren. Diese drei Provinzen fielen in meinen Zuständigkeitsbereich. Ich pflegte diese drei Provinzen zu bereisen. Wer würde das tun, wenn ich wegginge? Ich dachte, es sei wichtig. Ich war – ich wiederhole es zum dritten Mal – eine verdammte Idiotin. Und ich ging nicht nach Deutschland. Ich sagte, daß ich später ginge und daß ich dem Führer die wenigen Dinge zeigen würde, die ich in Indien zu erreichen versuchte. Ich wollte dem Führer erzählen: „Ich bringe Ihnen die Allianz der Elite Indiens.“ Ich wollte ihm das sagen. Hätte sich der Krieg anders entwickelt, wäre es mir vielleicht möglich gewesen, ihm das zu sagen. Ich weiß es nicht.

Aber ich ging nicht und der Krieg kam, die Kriegserklärung. Und eines Tages kam Herr Mukherji mit einem Plakat zu mir: Krieg, K.R.I.E.G. Er sagte: „Was wollen Sie jetzt tun?“ Ich sagte: „Ich würde jetzt so gern nach Europa gehen.“ Er sagte: „Ich werde versuchen, das mit dem italienischen Konsul zu arrangieren,“ – er war sein bester Freund – „Sie nach Europa zu bringen, Sie zuerst nach Italien und dann nach Deutschland zu bringen.1 Und wir werden arrangieren, daß Sie in Bengali reden können. Wir haben schon jemanden für Hindi und neuzeitliches Griechisch, Sie werden für das deutsche Radio Kriegspropaganda machen.“ Ich sagte: „Ich wäre erfreut. Unter Goebbels. Ich wäre erfreut. Und Goebbels würde mich wahrscheinlich eines Tages mit dem Führer bekannt machen.“ Ich war erfreut.

Natürlich mußte ich meinen Paß erneuern lassen. Mein Paß war abgelaufen. Und der Einfachheit halber wäre es natürlich besser, wenn ich einen indischen Paß hätte. Nicht nur der Einfachheit halber, sondern weil sie in jenen Tagen alle Leute internierten, die gegen die britischen Kriegsanstrengungen waren. Und Herr Mukherji sagte mir: „An geheimen Orten weiß jeder,“ – er hatte selbst über einige Bengalen, die für sie arbeiteten, mit der Geheimpolizei zu tun – „daß Sie gegen die britischen Kriegsanstrengungen sind. Sie sind für Hitler. Sie werden automatisch interniert werden. Sie internieren so viele Leute. Der einzige Weg, der Internierung zu entgehen, ist es, einen indischen Namen und indische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Wenn Sie wollen, gebe ich Ihnen meinen Namen.“ Und so heirateten wir.2

Aber wir mußten während des Krieges natürlich irgend etwas tun. Wir konnten nicht einfach ausharren. Wir wollten Deutschland behilflich sein. Wir wollten Hitler behilflich sein. Es war sehr schwierig, Adolf Hitler während des Krieges zu helfen. Er war weit weg. Alle Deutschen waren fort. Aber es gab noch Leute, die da waren. Und da waren die Alliierten Adolf Hitlers, die Japaner, die zur Stelle waren.3 Und Herr Mukherji war die rechte Hand des japanischen Konsuls in Kalkutta. Er hatte ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu ihm. Er war in der Tat der einzige ausländische Ratgeber, der einzige Nichtjapaner, den sie je trafen, in den die Japaner vollstes Vertrauen hatten.

Sie hatten keinerlei Vertrauen in mich. Oh nein. Ich war eine weiße Frau. Ich war nichts. Ich war seine Ehefrau, gut, gut. Da haben wir nichts gegen einzuwenden. Frauen zählen in Japan nicht viel. Also zumindest Frauen wie ich als Nichtjapanerin. Es gibt einige sehr berühmte Frauen in der japanischen Geschichte. Doch bis 1945 hatten sie kein Vertrauen in mich. Tatsächlich bis 1949, als ich bewies, daß ich auf ihrer und auf Hitlers Seite war.

Einstweilen waren sie nur zu ihm freundlich und er wußte, daß sie Burma angreifen würden. Sie würden Indien näherkommen und unser Traum war es, das sie in Indien eindringen, nach Osten vorstoßen würden, während die Deutschen nach dem Angriff auf Rußland vom Nordwesten  her eindringen und sich mit ihnen in Delhi vereinigen würden und das der Führer im Roten Fort zum Weltführer ernannt werden würde. Das war mein Traum. Und das war auch sein Traum.

Der Krieg ging weiter. Burma war das erste Ziel. Die Japaner waren ab 1941 in Burma. Im Jahre 1942 eroberten sie Burma. Die Amerikaner und Briten kämpften gegen sie.

Den ganzen Krieg über brachten wir Amerikaner in unser Haus. Wir setzten uns mit Amerikanern in Verbindung. Ich pflegte sie von einem Klub mitzubringen, der für sie und die Briten eingerichtet war. Der Klub hatte einen Namen: (Der Ost-West-Klub.4 Sein Zweck bestand darin, ihnen zu helfen) die indischen Sitten zu verstehen, mit den Fingern Curry und andere indische Gerichte zu essen. Etwas über Astrologie, Yoga und solche Dinge zu erfahren. Also pflegte ich in schönem Sari und mit meinen großen Hakenkreuzohrringen in den Klub zu gehen. Das Hakenkreuz ist auch ein indisches Symbol. Es ist ein arisches Symbol, eigentlich ein jungsteinzeitliches Symbol aller Arier jener Zeit. Und die Amerikaner guckten mich schräg an und sagten: „Warum tragen Sie solche Ohrringe?“ „Aber das ist ein indisches religiöses Symbol. Mein Gatte ist Inder.“ „Warum kommt er nicht in den Klub?“ Ich sagte: „Weil er sehr orthodox ist. Er weigert sich Dinge zu essen, die anders zubereitet sind als das, was er zu essen gewohnt ist. Er weigert sich Kuchen zu essen, die mit Eiern zubereitet wurden und solche Sachen. Er kommt nicht.“ „Können wir ihn  treffen?“ Ich sagte: „Nun, weswegen wollen Sie ihn treffen?“ „Er muß ein interessanter Mann sein.“ Ich sagte: „Ja, ein sehr interessanter Mann. Er betreibt Yoga und er ist ein sehr guter Astrologe.“ „Ach! Ein guter Astrologe! Laßt uns ihn besuchen.“ Jede Woche brachte ich ein oder zwei Jeeps voll mit Amerikanern in unser Haus.

Dann gab uns mein Schwager Ashoka Whiskey. Ich rührte ihn natürlich nie an. Ich habe in meinem Leben nie Alkohol angefaßt. Ich mag ihn nicht. Ich mag seinen Geruch nicht. Herr Mukherji gab ihnen Whiskey und unterhielt sich mit ihnen. Ich war während der Gespräche nie anwesend. Ich sagte ihnen höchstens: „Sie können meine Katzen anschauen kommen.“ Ich hatte eine Anzahl von Katzen in meinem Raum. Ich liebte alle katzenartigen Tiere, Katzen und Leoparden und Tiger und Löwen, was Sie wollen. Sie sagten dann: „Ach, so viele Katzen, gut, gut, gut. Und interessieren Sie sich für irgend etwas? Wofür interessieren Sie sich? Interessieren Sie sich für den Krieg?“ Ich sagte: „Überhaupt nicht. Ich interessiere mich für das Altertum und Katzen.“ Und tatsächlich schrieb ich in jenen Tagen ein Buch über Echnaton, Herrscher von Ägypten – Altertum.5

Also unterhielt er sich mit ihnen. Ich war während der Gespräche nie anwesend. Aber ich wußte, daß die Amerikaner von seinem Gerede angetan waren. Sie dachten, daß er der beste Demokrat der Welt sei. Ohne zu fragen – sie fragten ihn nie – nahmen sie an, daß er Antinazi sein mußte und fingen an zu reden. Und wenn sie gegessen und getrunken hatten, redeten einige von ihnen eine Menge. Die Redseligsten von ihnen, lustigerweise einige derjenigen, aus denen man am besten Informationen herausbekommen konnte, waren höchstrangige jüdische Offiziere der amerikanischen Armee. Ich erinnere mich an einen, der uns sehr gute Informationen gab.

Und die Informationen wurden an vier Inder weitergegeben, die alle zwei Wochen oder so die burmesische Grenze überquerten und am nächsten Morgen direkt zu Yamagatas Hauptquartier gingen und die Informationen Yamagata gaben, dem japanischen Befehlshaber in Burma.6 Und so passierten in Burma unerwartet einige Dinge. Wenigstens drei streng geheime Flugplätze flogen in die Luft. Einige Einheiten der Alliierten wurden umzingelt und mußten aufgeben. Jedenfalls wurde Burma erobert. Und die Japaner kamen über Imphal nach Indien und als sie in Imphal waren, dachten wir: „Jetzt werden sie nach Delhi kommen.“ Sie kamen nicht bis nach Delhi.

Trotzdem werde ich mich stets daran erinnern, wie Herr Mukherji eines Tages um Mitternacht in mein Zimmer kam und mir mitteilte: „Soundso, amerikanischer Jude, hat mir gerade erzählt, daß dieser und jener Flugplatz neulich in die Luft geflogen ist. Es wurde bombardiert, in Stücke gesprengt.“ Ich sagte: „Sehr gut.“ Er sagte: „Ja und du meintest, es wäre falsch gewesen, daß ich Göring vor dem Juden einen Fettsack genannt hätte. Hätte ich ihm gegenüber nicht eine derartige Gesinnung gezeigt, hätte er mir nie von dem Flugplatz erzählt. Ich nehme an, Göring hätte nichts dagegen, im Spaß gegenüber einem amerikanischen Juden ‚Fettsack’ genannt zu werden, wenn das Ergebnis so aussieht. Was meinst du?“ Ich sagte: „Ich meine, du bist Diplomat.“ Ich sagte: „Und du mußt Diplomat sein. Wenn du keine Waffengewalt nutzen kannst, mußt du die Macht der Diplomatie nutzen. Was kann man sonst im Krieg tun? Wir können den Führer nicht direkt unterstützen. Wir müssen ihn über seine Verbündeten unterstützen.“ Und das taten wir.7

Aber der Krieg ging schlecht aus. Wir erwarteten, daß er gut ausginge. Er ging schlecht aus. Wir erwarteten, daß Stalingrad fiele und ich erinnere mich an Herrn Mukherji, der, während der Kampf um Stalingrad im Gange war, griechischen Kaffee schlürfend, den ich für ihn in unserem Haus zubereitet hatte, neben mir saß und mir erzählte: „Schau hier, du hast den Khyberpaß gesehen, den Weg der Eroberer, diese großen blutroten Felsen und ockerfarbenen Felsen und weißen Felsen, alle möglichen Felsen. Nicht ein Grashalm. Er erstreckt sich von Afghanistan bis Indien.“ „Ja, 1936 habe ich den Khyberpaß selbst durchquert. Es ist ein schöner Ort, ein wilder Ort.“8 „Dann stell dir mal vor, die deutsche Armee käme jetzt genau dort hindurch. Stell dir das Widerhallen der Panzer vor, stell dir folgendes Lied vor:

Wir werden weiter marschieren,
Wenn alles in Scherben fällt,
Denn heute gehört uns Deutschland
Und morgen die ganze Welt.

Dieses Lied im Khyberpaß. Wir sind die dritte Welle“, erzählte er mir. „Die erste Welle: die ersten Arier, die nach Indien kamen – auch wenn es mehrere Wellen waren, nicht nur eine –, sie kamen aus dem Nordwesten. Und die zweite: die Truppen Alexanders. Und die dritte, das ist die dritte Welle.“ Ich sagte: „Ja, schön, schön. Und sie werden sich mit den Japanern vereinen, mit unseren Verbündeten. Sie werden sich in Delhi treffen und in Delhi wird es eine große Zeremonie am roten Fort geben und unser Führer wird ihr Führer sein. Ich werde mir einen Sari kaufen, um ihn an jenem Tag zu tragen.“9

Und ich ging los und kaufte mir einen wunderschönen Sari aus Seide, mit einem Saum aus Hakenkreuzumrissen, so groß, zehn Zentimeter, der rund um die Unterseite lief und ich habe ihn bis jetzt noch nicht getragen. Ich wollte ihn am roten Fort nur für den Führer tragen. Aber ich zeigte ihn meiner Schwiegermutter. Und meine Schwiegermutter, eine orthodoxe Hindu, die mehr als ich über den richtigen Geist der Dinge wußte, sagte: „Schämst du dich nicht über dich selbst, du, als Anhängerin Adolf Hitlers, ein solches Teil zu kaufen?“ Ich sagte: „Warum?“ Sie sagte: „Aber ein Sari wird auf deine Füße fallen. Der Saum wird deine Füße berühren. Ist es nicht eine Schande, wenn das heilige Symbol, das Hakenkreuz, deine Füße berührt? Das sollte nicht passieren. Es ist eine Beleidigung des heiligen Symbols.“ Und vom hinduistischen Standpunkt aus hatte sie recht. Man sollte niemals ein heiliges Symbol am Saum eines Sari haben, weil der Saum des Sari die Füße berührt. Das ist nicht in Ordnung. Also sagte ich: „Gut, ich werde ihn nicht tragen. Ich werde etwas anderes kaufen.“ Sie sagte: „Kauf etwas anderes mit einem anderen Muster. Das Hakenkreuz, das heilige Hakenkreuz, darf deine Füße nicht berühren.“ Trotzdem nahm ich jenen Sari mit zurück nach Europa. Er wurde mir am 16. August 1946 zusammen mit vielen anderen Saris in meinem Koffer am Bahnhof Saint-Lazare in Paris gestohlen.

In der Zwischenzeit liefen die Dinge weiter. Der Krieg lief schlechter und schlechter, schlechter und schlechter. Was wir auch taten war vergeblich. Wir spürten, daß es vergeblich war. Also hatte ich im Oktober ’44 genug davon. Ich wollte es nicht wissen, wenn die Kapitulation kommen würde. Also ließ ich meine Katzen in der Obhut von Herrn Mukherji und des Dieners, den wir hatten, einem sehr verläßlichen guten Diener, und ich nahm den Zug Richtung Süden.10 Ich verließ Kalkutta und bereiste all die heiligen Orte und Tempel und Orte, wo ich nicht das Risiko einging, jemanden zu treffen. Ich wollte es nicht wissen, wenn die Kapitulation kommen würde. Auf meinem Weg sah ich eine furchtbare Sache. Zu dem Zeitpunkt befand ich mich in einem Zug, zwischen einem Ort, an den ich mich nicht mehr erinnern kann und Tiruchchendur im Süden. Dort saß ein Gentleman im selben Abteil wie ich und las eine englische Zeitung. Und auf dem Kopf stehend laß ich die Schlagzeile der Zeitung: „Berlin ist ein Inferno.“ Ich fröstelte. Und trotzdem ging ich in die kleinen Städte und ich hielt mich an Tempel und ich hielt mich an die Hindus, die sich nicht mit Politik befaßten. Ich mied Zeitungen und wußte nicht, wann die Kapitulation kam.

Ich bekam es drei Wochen später mit. Ich war an einem Ort namens Sringeri an der Westküste oder besser gesagt der Westküste zugewandt. Es ist ein sehr berühmter Ort. Es ist der Geburtsort eines der größten Inder aller Zeiten, Shankara Acharya11 aus dem achten Jahrhundert, demjenigen, der den Buddhismus in Indien ausrottete und die alten arischen Werte des Hinduismus wiederherstellte. Sehen Sie, der Buddhismus war kastenlos. Der Hinduismus nicht. Und ich ging dort in ein Cafe, um eine Tasse Kaffee zu trinken. Ich hielt mich in einem Touristenort auf. Und in dem Cafe waren zwei Männer aus Hyderabad, zwei Mohammedaner. Ob Mohammedaner oder nicht, weiß ich nicht. Jedenfalls sprachen sie Urdu. Ich kann kein Talibu, die Sprache Sringeris oder irgendeine andere Sprache des Südens, eigentlich keine der dravidischen Sprachen. Aber ich kann Urdu verstehen und sie sagten: „Nun sind die Kämpfe in Europa schon seit drei Wochen beendet.“ So bekam ich also mit, daß es zuende war und fühlte mich sehr kalt. Ich trank nicht einmal meinen Kaffee aus. Ich fühlte mich sehr niedergeschlagen.

Auf meinem Weg zurück an einem der Bahnhöfe Südindiens gab es nirgendwo einen Ort für Touristen. Es gab keine Räume. Ich war erschöpft. Ich ging und schlief auf dem Rasen außerhalb  des Bahnhofes. Ein Polizist kam. Er sagte: „Steh auf, Mütterchen.“ Er gab mir einen Tritt, um mich zum aufstehen zu bewegen und ich stand auf, war aber wütend. Ich merkte mir seine Identifikationsnummer und ging ihn melden. „Dieser Mann hat mich mißhandelt. Er hat mir einen Tritt gegeben und wollte es mir nicht gestatten, auf dem Rasen zu schlafen. Ich wußte nicht, wo ich schlafen sollte. Natürlich gab es eine Art von Ort für Frauen. Aber dort schrieen Frauen und Kinder und Säuglinge und das Radio war an. Dort konnte ich nicht schlafen“, erzählte ich ihm.

Sein Vorgesetzter kam und sagte in seiner Anwesenheit zu mir: „Ist es dieser Mann?“ Ich sagte: „Ja, daß ist der Mann.“ „Soll ich ihn entlassen? Er hat acht Kinder.“ Ich sagte: „Nein. Entlassen Sie ihn nicht. Nicht, weil er acht Kinder hat. Es ist mir völlig egal, wie viele Kinder er hat. Aber weil er nicht für diese Katastrophe verantwortlich sein kann. Warum sollte ich? Warum sollte ich Groll hegen? Er ist nur ein kleiner Mann. Er ist für nichts anderes verantwortlich, als dafür, mich getreten zu haben. Lassen Sie ihn mich treten. Es macht nichts. Ich verdiene es. Ich verdiene es, weil ich auf der Seite der Besiegten bin. Wir sollten nicht besiegt sein. Einen feuerte ich gern, Roosevelt.“ Aber der war da schon tot. „Roosevelt, Churchill, Stalin – diese Leute. Ich kann nichts gegen sie tun. Warum sollte ich irgend etwas gegen diesen armen Mann tun?“ So antwortete ich und der Mann war mir sehr dankbar. Er sagte: „Ich bin Ihnen so dankbar. Ich habe eine große Familie, die auf mich zählt.“ Ich sagte: „Gut, gut, gut. Sie sind nur einer von Millionen.“

Und im Juli ’45 ging ich zurück nach Kalkutta. Die ganze Zeit von Ende ’44, Anfang ’45, bis Juli bereiste ich verschiedene Teile Indiens, ganz allein, versuchte, nicht mitzubekommen was kommen würde, was passierte. Ich trat also ins Haus und klopfte. Herr Mukherji öffnete die Tür und das erste, was ich auf Bengali sagte, war: „Was gibt’s Neues?“ Und er sagte: „Was es an Neuem gibt? Vier. Vier Zonen. Das ist alles. Deutschland ist in vier Teile geschnitten.“ Und wir fühlten uns beide sehr niedergeschlagen.

Er sagte zu mir: „Fühl dich nicht so niedergeschlagen, denn es muß weitergehen. Die Dinge müssen sich ändern. Dies ist das dunkle Zeitalter. Dies ist das Kali Yuga, das dunkle Zeitalter, das sie das schlimmste in der Aufeinanderfolge der vier Zeitalter nennen. Du kannst nichts Besseres erwarten. Aber nach dem Kali Yuga muß Kalki kommen. Kalki, der Erlöser, der Eine, der dieser Aufeinanderfolge der Zeitalter ein Ende machen wird. Er konnte nicht kommen, bevor sein Vorgänger kam. Adolf Hitler ist sein Vorgänger. Er war nicht der Eine. Er hat das selbst gesagt.“ Das hatte er wirklich getan. Er sagte das zu Hans Grimm: „Ich bin nicht der Eine, der kommen wird. Ich bin nur sein Vorgänger. Ich bereite ihm nur den nötigen Boden, das ist alles. Er muß noch kommen.“12 Herr Mukherji sagte: „Und du wirst leben und das sehen.“ Ich sagte: „Ich wünschte, ich wäre in Europa gewesen und gestorben.“ Er sagte: „Wahrscheinlich warst du dazu bestimmt zu leben. Nicht alle dürfen sterben. Wenn alle aus der Bewegung sterben, gibt es keine Bewegung mehr.“ „Gut. Gut.“

Und was passierte dann? Es kamen Juli, August, September, Oktober. Es gab das jährliche Fest, das Durgafest und das Kalifest. Kali ist die dunkle Göttin, die dunkelblaue Göttin. Wir nennen sie „Usu Shyama“, die Dunkelblaue. Sie soll die Stärke hinter dem Wesen Shivas repräsentieren, das heißt den Zerstörer. Zerstörer und Schöpfer. Er ist Zerstörer und Schöpfer. Aber alle Götter haben eine shakti, ein weibliches Wesen neben sich, die wir Gottesgemahlin nennen. Und sie verkörpert die tatkräftige Seite. Also Kali ist dunkelblau und vierarmig. Zwei Arme halten ein Schwert und einen abgetrennten Kopf und die beiden anderen Arme segnen sie. Sie ist die Urheberin von Erdbeben, die Urheberin von Vulkanen – die Urheberin all dessen, was zerstörerisch ist. Und gleichzeitig läßt sie das Getreide gedeihen. Sie ist die universelle Mutter. Es gibt ein großes Fest für sie im Oktober. Erst das Durgafest, dann ihr Fest. Ich ging zu beiden Festen. Und sie ist die Rächerin.

Und ich erinnere mich an mich selbst. Ich nahm an dem Fest wie eine Rasende teil. Die Frauen beschmierten zu diesem Anlaß ihre Hände und Gesichter mit roter und purpurner Farbe. Ich selbst beschmierte mich auch damit. Ich tat, was sie taten und ich kann mich selbst noch im Kalitempel von Kalkutta vor der Statue stehend sehen, mit schlagenden Trommeln, die in mir widerhallten. Damals lief der Nürnberger Prozeß. Es muß im November gewesen sein. Es hatte gerade begonnen oder sollte beginnen.13 „Mutter, dunkelblaue Mutter, räche sie, räche sie, räche sie, die Märtyrer von Nürnberg.“ Ich wußte, daß sie getötet werden würden. „Räche all jene, die sie zunichte machen werden. Eine schreckliche Zeit naht, aber hilf uns, sie zu überstehen.“ Und diese Vorstellung von der dunkelblauen Mutter begleitete mich all die Jahre in Europa hindurch. Davon werde ich jetzt berichten.


1 Bei dem italienischen Konsul handelt es sich wahrscheinlich um Camillo Giuriati. Siehe Pilgrimage, S. 11.

2 Wie in §12 weiter unten erklärt, kam Savitris neuer Paß zu spät und eine Rückkehr nach Europa war ihr unmöglich. Es war ihr unmöglich, nach Italien zu gehen, nachdem es am 10. Juni 1940 auf deutscher Seite in den Krieg eingetreten war und es war ihr unmöglich nach Frankreich zu gehen, außer sie wäre eine Anhängerin de Gaulles gewesen.

3 Auf dem fünften Tonband berichtet Savitri von einer interessanten Gegebenheit: „Er konnte nicht mit mir zusammen nach Japan gehen. Wir sollten ’42 nach Japan gehen. Wir konnten nicht gehen.“

4 Defiance, S. 52.

5 Savitri brachte ihr Buch Joy of the Sun: The Beautiful Life of Akhnaton, King of Egypt Told to Young People (Kalkutta: Thacker, Spink & Co., 1942) am 14. Februar 1942 zum Abschluß. Im Mai 1942 begann sie an ihrem Hauptwerk über Echnaton zu schreiben: A Son of God: The Life and Philosophy of Akhnaton, King of Egypt  (London: Philosophical Publishing House, 1946) (später in Son of the Sun umbenannt). Savitri veröffentlichte während ihres Aufenthaltes in Indien noch zwei weitere Bücher über Echnaton. Ein Pamphlet mit dem Titel Akhnaton’s Eternal Message: A Scientific Religion 3,300 Years Old (Kalkutta: A.K. Mukherji, 1940), das im Dezember 1940 in Kalkutta fertiggestellt wurde, sowie eine weitere Arbeit, A Perfect Man: Akhnaton, King of Egypt, nun offensichtlich verschollen, die nach Akhnaton’s Eternal Message und vor Joy of the Sun verlegt wurde.

6 Wahrscheinlich Vizeadmiral Yamagata Seigo, gestorben 1945.

7 In Defiance enthüllt Savitri, das die Briten zumindest 1949 von Mukherjis Spionageaktivitäten wußten. Sie fragten Savitri ausdrücklich, ob sie jemals an Mukherjis Gesprächen mit den Amerikanern teilgenommen habe. Siehe Defiance, S. 149f.

8 Zu Savitris Erlebnissen in Afghanistan siehe L’Etang aux lotus, Kapitel 8, „La terre sans maître“.

9 In einer anderen Darstellung dieser Geschichte in den Interviews erwähnt Savitri, daß das rote Fort „eine alte Festung der Mogule von Delhi“ sei. „Die Schätze sind verloren. Sie befinden sich alle in Persien. Sie wurden 1739 vom persischen König Nadir Shah mitgenommen, der Indien plünderte, Delhi plünderte, und sie mitnahm. Und sie sind nun im Museum von Teheran. Das rote Fort aber ist noch da und es ist wunderschön.“

10 Savitri verbrachte nicht die ganze Zeit im Süden. Sie nahm das Manuskript von A Son of God (auch bekannt als Son of the Son) mit auf ihre Reise und hielt fest, daß das Buch am 24. Januar 1945 in Neu Delhi (im Norden Indiens) abgeschlossen wurde. Siehe Savitri Devi: Son of the Sun: The Life and Philosophy of Akhnaton, King of Egypt, 2. Auflage (San Jose, Kalifornien: Supreme Grand Loge of AMORC, 1956), S. 303.

11 Shankara Acharya (spätes achtes bis frühes neuntes Jahrhundert n. Chr.) wurde in Kalady in Kerala geboren, errichtete aber eine Anzahl von Mathas oder Klöstern, von denen sich das wichtigste in Sringeri befindet.

12 Hans Grimm: Warum? Woher? Aber Wohin? (Lippoldsberg: Klosterhaus Verlag, 1954), S. 14. Für das komplette Zitat siehe Kapitel 4, §2.

13 Der Nürnberger Prozeß begann am 20. November 1945. Das Kali Puja wird im Oktober oder November gefeiert, in der Nacht des Neumondes im bengalischen Monat Kartik.