Home Life Works Texts Gallery Literature Wish List
News Letters Bookshop Donations Links Mailing List Contact

Mit dem Gesicht zu den Sternen

von Savitri Devi

Kapitel 15 (Epilog) von
Long-Whiskers and the Two-Legged Goddess, or the True Story of a “Most-Objectionable Nazi” and . . . half-a-dozen Cats
(Long-Whiskers und die zweibeinige Göttin, oder die wahre Geschichte einer „verabscheuungswürdigsten Nazistin“ und... einem halben Dutzend Katzen)

Übersetzt von Wilhelm Hartmann.

English Original

Mitten in der Nacht hatte der Bus irgendwo entlang der Wüstenstrecke zwischen Mashed und Zahedan gehalten: Er hatte eine Reparatur nötig, und es würde wohl ein oder zwei Stunden dauern, bevor er wieder liefe. Die Fahrgäste wurden gebeten, auszusteigen und zu warten. Man sagte ihnen, daß es weniger als zweihundert Yards entfernt eine Gruppe von Hütten gäbe, wo Wasser vorhanden sei.

Viele begannen, in diese Richtung zu laufen, weil sie durstig waren; die meisten anderen folgten ihnen, weil sie nichts zu tun hatten und meinten, daß ihnen ein wenig Bewegung nach ihrer langen Unbeweglichkeit auf harten Sitzen nicht schaden könnte. Ein oder zwei Männer und Frauen mit kleinen Kindern, die Essen und Trinken mitgebracht hatten, blieben in der Nähe des Busses, öffneten ihre Päckchen und begannen, im Kreis sitzend, zu essen.

Nachdem Heliodora etwas unhergewandert war und sich an die Dunkelheit gewöhnt hatte, machte sie sich auf und suchte sich einen Platz, der nah genug am Bus lag, um hören zu können, wenn er abführe und weit genug weg, damit sie allein sein konnte. Und sie lag auf ihrem Rücken im warmen Sand, mit dem Gesicht zum Sternenhimmel.

Es war eine mondlose Nacht, und die Landschaft war felsig. Am Horizont konnte man nach allen Richtungen, außer nach einer, dunkle Gebirgszüge ausmachen, und das sonderbare Licht des Himmels, welches sie nicht beleuchtete, ließ sie dunkler und massiver denn je erscheinen. Und man konnte in ihnen keine Abstufungen erkennen. Der Boden war ebenfalls in Dunkelheit getaucht; man vermochte kaum Sand von Fels zu unterscheiden, außer durch Berührung. Und auch wenn die sie von ihnen trennende Entfernung kurz war und der Boden dazwischen flach, konnte Heliodora von dem Platz aus, an dem sie lag, die Hütten nicht sehen. Doch über schwarzen Hügeln und dunkler Erde hing der Nachthimmel und schimmerte in all seiner Pracht, jede Seite der Milchstraße. Und die Frau, die mit Leib und Seele dabei war, ließ ihre Seele in dieser leuchtenden Unendlichkeit aufgehen, während sich ihr Körper im warmen Sand wie ein müdes Kind in seinem Bett entspannte. Sie verehrte die Größe des Kosmos, strebte danach, sich selbst mit ihm in Einklang zu bringen. Und in ihm und durch ihn suchte sie das Unerreichbare: die Seele des Tanzes von Milliarden von Nebeln, die kein endliches Wesen zu erfassen vermag.

* * *

Sie befand sich auf ihrem Weg von Mashed, der heiligen Stadt des Iran, nach Zahedan an der Grenze zu Belutschistan, wo sie den Zug nach Quetta nehmen würde, von wo aus sie Lahore, Delhi, Kalkutta erreichen würde.

Gelänge es ihr schließlich, ihre Bücher drucken zu lassen? Um das tun zu können, benötigte sie Geld, aber sie besaß keines. Fände sie in Indien Arbeit? Ein indischer Bediensteter in Ägypten hatte ihr gesagt, daß es „praktisch unmöglich“ sei. Wovon würde sie dann leben, und was würde sie tun? Tatsächlich wußte sie nicht, wohin sie ging, obwohl ihr das Land vertraut war.

Doch die Majestät des Sternenhimmels durchdrang sie, und sie kümmerte sich nicht darum. Sie vergaß den Bus und die Fahrgäste und die Reise und Raum und Zeit – als ob es ihre Bestimmung sei, für immer unter dem göttlichen Licht der Galaxien auf diesem Bett aus Sand liegen zu bleiben. Der Gedanke an den Kater, der vor über zwei Wochen in Teheran in ihren Armen gestorben war, kam ihr in den Sinn. „Und selbst, wenn ich meine Schriften niemals werde drucken lassen können, ist es egal“, spürte sie. „Dieser Kater ist wenigstens nicht ungeliebt und allein gestorben. Ihn zu trösten, war die anstrengende Reise wert. Pashupati, Herr der Tiere, ich segne Dich dafür, daß Du mich rechtzeitig zum Ort geführt hast, und ich verehre Dich!“ Sie wußte – und der Blick auf den Himmel voller Sterne half ihr nur dabei, sich einmal mehr der Freude bewußt zu werden, die ihr dieses Wissen gab –, daß dasselbe ewige Leben, welches sie durch das sterbende Tier angeschnurrt hatte, auf zahllosen, weit entfernten Welten unüberwindlich blühte, wie auf dieser Erde; daß der Tod lediglich ein Übergang in neues Leben und das Licht der Ursprung des Lebens war: Licht, welches allezeit entsprungen war, allezeit von Entfernung zu Entfernung aus dem unergründlichen Mutterleib uferloser Nacht hinaus geschienen hatte, wie dieser Sternenstaub am dunklen Himmel.

Und sie erinnerte sich des irdischen Glaubens, für den sie lebte… An diesem strahlenden Himmel standen Sterne, die Millionen und Milliarden von Lichtjahren von unserem kleinen Planeten und voneinander entfernt waren; Sterne, deren Lichtstrahlen, die sie jetzt wahrnahm, ihre Reise durch den Raum zu jener Zeit angetreten hatten, als diese Erde ein Sumpf war, aus welchem sich unter sturzflutartigen Wolkenbrüchen warmen Wassers Wälder riesiger Farne entstanden oder sogar lange, lange zuvor, als sie lediglich eine strudelnde Menge Lava war – eine Welt im Entstehen. Was war diese Erde – und was war Deutschland und all der Stolz auf kämpferischen Nationalsozialismus – für jene atemberaubende, unpersönliche Unendlichkeit? Nicht einmal ein Staubkörnchen! Und doch… wo auch immer göttliches Licht in jenen endlosen Weiten Leben geboren hatte; wo auch immer es lebende Völker denkender oder nicht denkender Lebewesen auf irgendeinem Planeten gab, geboren von irgendeiner Sonne, galten die vom größten aller Deutschen, Adolf Hitler, verkündeten Grundsätze auf Grundlage des Überlebenskampfes, der göttlichen Gesetze rassischer Auslese, so wie sie es hier taten; so wie sie es in der Geschichte unserer winzigen Erde immer getan hatten. Und die unerbittliche Ethik, die jene ewigen Gesetze des Lebens zum Ausdruck bringt, war für immer und ewig die göttliche Ethik des unergründlichen Raumes. Ehre sei Ihm, der sie verkündete – mag Er auch in seiner letzten Erscheinungsform, so wie in allen anderen, nichts als ein Blitz in der endlosen Zeit gewesen sein! – und jenen seiner Gefolgsleute, die, als ebenfalls eine Sekunde lang seiende Geschöpfe, treu seinem Geiste lebten und starben! Denn Er ist Derjenige, der zurückkehrt: die Seele des Sternentanzes, welcher wieder und wieder das Gewand sterblicher Schwäche auf sich nimmt, um endliche Wesen die Regel aller Welten zu lehren.

Und Heliodora fühlte sich noch glücklicher und siegessicherer, als sie es beim Anblick der prachtvollsten Zurschaustellung der erobernden Kraft ihrer Kameraden gewesen wäre. „Unsere endgültige Niederlage bedeutete die Niederlage und das Ende des Lebens selbst im Hier“, dachte sie. „So steht es klar und deutlich in Mein Kampf!1 Doch selbst dann ginge unser Kampf, weitergeführt von anderen Wesen, weiter, wo auch immer es Leben gibt.“ Und zusammen mit all ihren verfolgten Kameraden fühlte sie sich unbesiegbar. Ein weiteres Mal hatte sie den Hitlerschen Glauben und den Kult arischer Aristokratie in die Verehrung des Sternenhimmels, des Lichtes und des ewigen Lebens eingebunden.

„Allvater, der Du das Wesen dieser strahlenden Unermeßlichkeit bist“, betete sie, „Du, Du allein, bist es, den ich stets verehrt habe, sei es in der Anmut stummer Geschöpfe, sei es im Stolz, der Intelligenz und erobernden Willenskraft meines Führers und jener, die ihm näher sind, als ich. Denn Du strahlst in ihnen; Du bist sie. Führe mich, wo auch immer ich hinzugehen habe, Ewiger! Und hilf mir, meinen Beitrag dazu zu leisten, unseren glorreichen Glauben immer weiter mit der Liebe und dem Schutze allen schönen und unschuldigen Lebens zu verflechten.“ Und auf Deutsch wiederholte sie gegenüber den Milliarden von Sonnen im All und ihrer gemeinsamen großen Seele die heilige Anrufung der alten europäischen Arier an unsere Sonne: „Heil Dir, allwaltender Lichtvater!“2

Eine Sekunde lang schloß sie ihre Augen, als ob selbst der Anblick des herrlichen Himmels sie von etwas Unsichtbarem ablenkte, nach welchem sie sich sehnte. Und plötzlich hatte es für sie den Anschein, als ob der Kater dort an ihrer Seite sei. Sie hörte sein Schnurren (oder glaubte, daß sie es hörte) und spürte die Berührung seines glänzenden Kopfes an ihrem Gesicht. War die Seele des armen Tieres die Botin der Seele des sternenhellen Alls? Warum nicht?

Aber in der Ferne ertönte Lärm; es hörte sich an, als ob die Leute sich sammelten; man hörte eine Hupe, welche die verspäteten Fahrgäste benachrichtigte. Der Bus würde gleich losfahren.

Heliodora stand auf und ging zurück zu ihrem Platz, strahlend vor überirdischer Freude.

Savitri Devi Mukherji

Joda, nahe Barajamda in Orissa (Indien), September 1957.
Hannover (Deutschland), 10. Juli 1961.



1 Auflage 1939, S. 316.

2 Im Original: „Heil Dir, Lichtvater allwaltende!“