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Savitri Devis kommunistische Neffen

von Greg Johnson


Einige der interessantesten Erinnerungen, auf die ich bei meinen biographischen Recherchen über Savitri Devi gestoßen bin, sind jene von zwei kommunistischen Neffen, Sumanta und Subrata Banerjee, die die Söhne einer der Schwestern von Savitris Ehemann Asit Krishna Mukherji sind. Ihre Erinnerungen fügen den Lebensgeschichten Savitri Devis und ihres Mannes nicht nur Details hinzu — einzige hiervon ziemlich wichtig, andere bloß interessant und amüsant —, sondern sie werfen aufgrund der Savitris Standpunkt diagonal entgegengesetzten philosophischen und politischen Überzeugung der Neffen ein interessantes Licht auf die Persönlichkeit ihrer Tante.

Sumanta Banerjee

Von Sumanta Banerjee erfuhr ich erstmals, als sein Artikel über Savitri Devi „Memories of my Nazi Maami [Tante]“ in der Times of India vom 19. April 1999 erschien. Diesem Aufsatz war eine Buchrezension über Nicholas Goodrick-Clarkes Savitri-Biographie Hitler’s Priestess am 19. März 1999 in der gleichen Zeitung vorausgegangen.

Sumanta Banerjee, der in einer kommunistischen Familie aufgewachsen war, kannte A. K. Mukherji als einen „dunklen, enigmatischen Onkel mit dem eher zwielichtigen Ruf, die Schlüsselfigur einer internationalen antibolschewistischen Verschwörung zu sein! Die Wahrheit kenne ich nicht.“ Die Wahrheit ist, daß Mukherji ein geschätzter Kollaborateur und Agent des faschistischen Italien, des nationalsozialistischen Deutschen Reiches und des imperialen Japan war, den drei Hauptunterzeichnern des Antikomintern-Paktes. Savitri Devi deutete sogar an, ihr Gatte habe als Kollaborateur der Achsenmächte ein solches Vertrauen genossen, daß A. K. Mukherji im Falle ihres Sieges über die Alliierten Gebieter über Südasien hätte werden können.

Sumanta Banerjee erinnert sich daran, daß Savitri eine häufige Besucherin im Hause seiner Familie war. Sie wurde geachtet für ihre „Gelehrtheit in bezug die griechische, die ägyptische und andere alte Kulturen“. Sie sprach offen über ihre nationalsozialistische Überzeugung, die aber als bloße Exzentrizität eingestuft wurde, ebenso wie ihre riesigen Hakenkreuzohrringe, ihr Glaube an die arische Einwanderung nach Indien, ihre übersteigerte Katzenliebe und ihr Eintreten für die nationalistische Hindutva-Bewegung, für die sie in den 1930ern und 40ern arbeitete.

Als Savitri 1971 nach Indien zurückkehrte und Quartier in Delhi nahm, tauchte sie in Sumanta Banerjees Büro auf, wie zuvor mit einem Sari bekleidet und mit ihren Hakenkreuzohrringen angetan. Als er Savitri mit nach Hause nahm, um sie seiner Frau vorzustellen, „war das erste, was sie tat, ein kleines Plastiklineal aus ihrer Tasche zu fischen und anzufangen, die Gesichtszüge meiner Frau auszumessen. Nachdem diese Übung abgeschlossen war, nickte sie mir zustimmend zu und sagte auf Bengali: ,Gute Arbeit. Sie ist arischer als du.‘“

Sumanta Banerjee erinnert sich auch eines Gespräches mit Savitri bezüglich ihrer Mutter: „Sie erzählte mir einmal von ihrer Mutter, die in Frankreich lebte und die, als sie ihren Achtzigern war, während der deutschen Besatzungszeit der Résistance beitrat. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie ihre Tochter bereits verstoßen. Ich fragte Savitri-maami, wie sie ihrer Mutter gegenübergetreten wäre; ohne mit der Wimper zu zucken, sagte sie: ‚Ich hätte sie erschossen.‘“

Diese Geschichte bedarf einer Kommentierung. Savitri erfuhr erst nach Kriegsende von der Unterstützung ihrer Mutter für die französische Résistance. Ihre Mutter selbst erzählte es ihr. Es war ein schwerer Schlag für Savitri und eine ernste Belastung für ihre Beziehung zu ihrer Mutter.1 Doch Savitri kappte die Bindung an sie niemals, geschweige denn, daß sie sie erschoß, und beide blieben bis zum Tode ihrer Mutter im Jahre 1960 in Kontakt. Savitris Mutter hat sie wahrscheinlich nicht formell „verstoßen“, denn nach dem Tode ihrer Mutter kehrte Savitri nach Europa zurück, augenscheinlich um sich um deren Nachlaß zu kümmern.2

Savitri meinte wahrscheinlich, daß sie ihre Mutter während des Krieges erschossen hätte. Aber es sollte auch angemerkt werden, daß ihre Mutter — laut Savitri — sagte, während des Krieges hätte sie Savitri der französischen Résistance übergeben, wenn sie die Möglichkeit gehabt hätte.3

Sumanta Banerjee schloß seinen kurzen Artikel, indem er seiner Bestürzung Ausdruck verlieh, daß die Glaubensvorstellungen, die er als Exzentrizität abgetan hatte, weiterhin Hindutva-Nationalisten in Indien und Rassenationalisten auf der ganzen Welt inspirieren. Er hinterfragte die menschliche Neigung, den potentiell gefährlichen Konsequenzen von Ideen, die von Exzentrikern vertreten werden, besonders von exzentrischen Intellektuellen, freien Lauf zu lassen oder sie zu übersehen.

Subrata Banerjee

Nachdem ich Sumanta Banerjees Artikel in der Times of India gelesen hatte, nahm ich über einen seiner Verlage, Seagull, Kontakt mit ihm auf und bat ihn, wenn möglich weitere Erinnerungen an Savitri Devi und A. K. Mukherji mit mir zu teilen. Er antwortete mir am 8. September 2001 und brachte mich in Kontakt mit seinem Bruder Subrata Banerjee, der ebenfalls Marxist ist. Subrata Banerjee erwiderte meine Bitte um weitere Informationen Ende September 2001 mit einem enorm hilfreichen dreiseitigen Dokument mit dem Titel „Note on Asit Krishna Mukherji“, das auch seine Erinnerungen an Savitri Devi enthält. Ich traf Subrata Banerjee auch persönlich in Kalkutta und interviewte ihn am 14. Januar 2004.

Subrata Banerjee wußte nichts über das frühe Leben seines Onkels. Jedoch erinnerte er sich daran, daß A. K. Mukherji in England studiert hatte, wofür er Indien wohl in den späten 1920ern verließ. (Laut Savitri Devi erwarb A. K. Mukherji den Doktortitel in Geschichte an der University of London.)4 Banerjee fügt hinzu:

Ich erinnere mich jedoch, daß er 1931 zurückkam, zur selben Zeit, als mein Vater aus Edinburgh heimkehrte. Und zwar weil er einige seiner Bücher im Gepäck meines Vaters mitgeschickt hatte. Er war ein politisch Verdächtiger und hatte Angst, daß sein Gepäck bei seiner Ankunft in Indien durchsucht und seine Bücher konfisziert werden würden. Unter seinen Büchern war die Erstausgabe von James Joyces Ulysses, vom Autor signiert.

Falls A. K. Mukherji ein politisch Verdächtiger war, was war dann seine politische Einstellung? Laut Subrata Banerjee:

Später sollte ich über [A. K. Mukherji] erfahren, daß er mit politisch linken Zirkeln in Großbritannien zu tun gehabt hatte. Er hatte sogar die Sowjetunion besucht und mir Zeitungsausschnitte von Erklärungen gezeigt, die er dort abgegeben hatte. Sie zeigten sein Photo. Rajani Mukherjee, ein Gewerkschaftsführer und Anhänger von M. N. Roy, war ein guter Bekannter meines Onkels. Das legt nahe, daß auch er zu jener Zeit derselben Gruppe angehörte. Zu jener Zeit hatte Roy sich von der Komintern losgesagt und war ein Kritiker der Sowjetunion geworden.

(Laut Savitri Devi verbrachte Mukherji zwei Jahre in der UdSSR, in denen er erster Klasse reiste. Als er gerade nach Indien zurückkehren wollte, versuchten die Sowjets ihn als Agenten anzuheuern, was er jedoch ablehnte.)5 Banerjee fährt fort: „Mein Onkel erzählte mir, daß The Statesman, eine von den Briten herausgegebene Tageszeitung, ihn gebeten habe, eine Serie antisowjetischer Artikel zu schreiben, und er hatte abgelehht. Er fand, daß dies seine politische Reputation hätte schädigen können.“ (Savitri Devi bestätigt dieses Ereignis, wenngleich sie den Titel des Statesman nicht erwähnt und nur sagt, daß Mukherji das Angebot zurückwies, weil er durch einen Angriff auf den Kommunismus nicht den kapitalistisch-politischen Vorstellungen jener, die dann seine Auftraggeber gewesen wären, den Rücken stärken wollte.)6 Banerjee fügt hinzu: „Obwohl [Mukherji] mit antisowjetischen linken Führern in Kalkutta in Kontakt blieb, hielt er sich selber aus der aktiven Politik heraus, abgesehen von einer kurzen Zeit der Tätigkeit für die Gewerkschaft, wie er mir erzählte. Ich habe keine Ahnung, welche Einkommensquelle er hatte. Er lebte insgesamt genügsames Leben.“

Subrata Banerjee gibt besonders wertvolle Informationen über Mukherjis Verlegerkarriere und enthüllt die Existenz zweier bisher unbekannter Periodika in bengalischer Sprache:

Bald nach seiner Rückkehr nach Indien trat mein Onkel plötzlich als Verleger und Herausgeber in Erscheinung. Er brachte zwei [periodische] Publikationen auf Bengali heraus. Die eine, Dhruba, war für Kinder, die andere, Bishan, für eine generelle Leserschaft. Die Namen waren nicht ohne Bedeutung. Dhruba war der Name eines kleinen Jungen aus der indischen (Hindu-)Mythologie. Er war ein eifriger Verehrer der Hindugottheit Vishnu. Er mußte sehr für seine Ergebenheit leiden. Das Wort ist auch der Name des Polarsterns. Bishan ist eine Trompete. Um Kinder zu heldenhaften Taten und eifrigem Nationalismus anzuhalten, brachte Dhruba viele entsprechende Geschichten, auch solche über Garibaldi und Mussolini. Natürlich gab es auch andere Artikel und Geschichten, die für Kinder interessant waren. Ich erinnere mich, daß mich die Seiten über Philatelie sehr interessierten. Bishan brachte auch ernsthafte Artikel über Italien unter Mussolini. Ich erinnere mich nicht, ob es Artikel über Hitler und das Deutsche Reich gab. Solche Artikel waren in der bengalischen Mittelklasse sehr beliebt, die diese Länder sehr bewunderte, da man sie für antibritisch hielt. Dieses Magazin war das erste, das eine kurze Erzählung mit einem Setting brachte, das in der Mittelklassengesellschaft Bengalens in jenen Tagen als etwas risqué galt. Erinnert das nicht sehr an Joyce?

Auch fügt er noch zwei wichtige Informationen über den Ursprung von Mukherjis erster englischsprachiger Publikation, den New Mercury, hinzu:

1935, nachdem Italien Abessinien (Äthiopien) besetzt hatte, gab er eine englische Zeitschrift, New Mercury, heraus. Alles, was sie enthielt, waren Presseerklärungen und weiteres Öffentlichkeitsmaterial, das die italienische Botschaft in Indien herausgab und das die Invasion und Besetzung Abessiniens rechtfertigte.

Da Italien Abessinien Anfang Oktober 1935 besetzte, wissen wir, daß der New Mercury kurz darauf erschien. Savitri Devi hat überdies die Tatsache, daß der New Mercury anfangs in Zusammenarbeit mit den Italienern veröffentlicht wurde, nicht erwähnt. Ihren Worten nach war der New Mercury ein nationalsozialistisches Periodikum, das in Zusammenarbeit mit den Deutschen veröffentlicht wurde.7 Es ist möglich, daß sie erst auf die Publikation stieß, nachdem diese ihren Schwerpunkt verschoben hatte. Der New Mercury wurde von den Briten Ende 1937 oder Anfang 1938 verboten und alle Exemplare konfisziert. 1938 brachte Mukherji seine vierte Publikation, The Eastern Economist, auf den Markt, ein englischsprachiges Periodikum, das in Zusammenarbeit mit den Japanern herausgegeben wurde.8 The Eastern Economist wurde von den Briten 1941 verboten, als Japan in den Zweiten Weltkrieg eintrat.9

Im Januar 2004 reiste ich selbst nach Indien, um über Savitri Devi und A. K. Mukherji zu recherchieren. Ich suchte ohne Erfolg im Nationalarchiv (National Archives) in Neudelhi und in der Nationalbibliothek (National Library) in Kalkutta nach Exemplaren von Bishan, Dhruba, dem New Mercury und The Eastern Economist. Exemplare des New Mercury mögen noch existieren, allerdings in Archiven in England, Italien und Deutschland. Und Exemplare von The Eastern Economist könnten noch in Japan auftauchen. Jede Information über erhalten gebliebene Exemplare dieser Periodika wäre außerordentlich wertvoll.

Subrata Banerjee erinnert sich nicht, wann Savitri Devi seinen Onkel heiratete, aber er erinnert sich an sie zur Zeit des Zweiten Weltkrieges, als sie schon seine Tante war. Wie sein Bruder charakterisiert er sie zuvörderst als eine Exzentrikerin:

Sie mochte unsere Familie sehr, besonders meine Mutter, und pflegte uns oft zu besuchen. Sie trug viel Schmuck und sehr viel Zinnoberpulver auf ihrem Scheitel als Zeichen einer Hindugattin. Sie bestand darauf, daß sie eine Arierin sei und eine Hindu geworden wäre, und als Brahmane war ihr Mann ebenfalls ein Arier. Sie behauptete, daß sie in dem Moment, als sie ihn das erste Mal sah, einen Arier in ihm erkannt hatte. Soweit ich mich erinnern kann, traf sie ihn in Indien. Wir empfanden sie als reichlich exzentrisch. Es war ihr mit der Annahme des Hinduismus so ernst, daß sie meinen Onkel sogar als Aryaputra ansprechen wollte, die sehr alte hinduistische Art, den eigenen Gatten anzusprechen. Der Begriff bedeutet wörtlich ‚Sohn eines Ariers‘. Sie beklagte sich bei meiner Mutter darüber, daß mein Onkel Einwände dagegen erhoben hatte, so angesprochen zu werden.

Als weiteres Beispiel für ihre Exzentrik führt er ihre bemerkenswerte Tierliebe an:

Sie liebte Katzen und Hunde. Sie brachte viele von ihnen nach Hause. Andere wiederum fütterte sie in den Straßen Kalkuttas und später Delhis, als sie später in ihrem Leben dorthin ging, um dort in Indien zu wohnen. Ich erinnere mich, wie sie mir einmal erzählte, daß Tiere besser als Menschen seien. Das war, als wir im Hause eines Verwandten in Delhi wohnten. Sie pflegte direkt neben dem Haustier, einem Schäferhund, zu schlafen.

Auch erwähnt er ein weiteres wohlbekanntes Charakteristikum Savitri Devis, und zwar ihre Intoleranz gegenüber Lärm:

Sie konnte lauten Krach nicht ausstehen. Die Wohnung, in der sie in Kalkutta wohnte, war an einer geschäftigen Straße und hellhörig. Sie pflegte ihre Ohren mit dem Kopfkissen zuzuhalten und suchte aufgrund des Krachs manchmal sogar im Bad Zuflucht.

Als Marxist stand Subrata Banerjee Savitris nationalsozialistischer Überzeugung konträr gegenüber, und sie führten oft „hitzige Debatten“. Er „ging [sogar] zur indischen Armee, um aktiv am antifaschistischen Krieg teilzunehmen“. Aber dennoch: „Meine Tante mochte mich irgendwie sehr gern.“ Es sollte jedoch betont werden, daß diese Wärme Savitri und seinen Onkel nicht davon abhielt, den Japanern in Burma strategische Informationen zukommen zu lassen, wo ihr Neffe gerade Seite an Seite mit den Briten und den Amerikanern kämpfte. Diese Spionageaktivitäten hätten ihn sehr wohl das Leben kosten können.

Doch zu jener Zeit hielt Subrata Banerjee die subversive Tätigkeit seiner Tante für weit weniger gefährlich:

Auf meinem Weg zur Front in Burma kam ich durch Kalkutta. Meine Tante erzählte mir sehr stolz, daß sie französische pornographische Literatur ins Englische übersetzte, damit die britischen und amerikanischen Truppen diese konsumierten. Ich war schokkiert, wie eine Person ihres intellektuellen Niveaus so tief sinken könne. Sie erklärte, daß sie dies tue, um die Moral der Truppen zu unterminieren: Sie würden — durch solche Pornographie sexuell erregt — Prostituierte aufsuchen, sich Geschlechtskrankheiten zuziehen und auf diese Weise daran gehindert werden, aktiv an [militärischen] Unternehmen teilzunehmen. Sie erzählte mir, daß mein Onkel in dieser Angelegenheit voll hinter ihr stehe.

Diese außergewöhnliche Geschichte bedarf einer Kommentierung. Sie könnte natürlich von vorne bis hinten wahr sein. Falls Savitri tatsächlich Pornographie übersetzt hätte, ist es sehr unwahrscheinlich, daß solche Werke überlebt hätten, und selbst wenn dies der Fall wäre, so hätte Savitri diese Literatur ganz gewiß nicht unter ihrem eigenen Namen übersetzt, damit es unmöglich gewesen wäre, sie selbst damit in Verbindung zu bringen. Allerdings wissen wir, daß Savitri wenigstens zwei Bücher während des Zweiten Weltkrieges unter ihrem Geburtsnamen Maximine Portaz aus dem Englischen ins Französische übersetzte. Hierbei handelt es sich um Denis Diderots La Religieuse (Die Nonne), das sie unter dem Titel Confessions of a Nun (Kalkutta: Susil Gupta, 1944) übertrug, und um Voltaires Candide (Kalkutta: Susil Gupta, 1945). (Susil Gupta war A. K. Mukherjis eigenes Verlagsimprint, das er von seiner und Savitris Wohnung aus in der Wellesley Street 1 in Kalkutta herausgab.)10 Diderots La Religieuse ist ganz bestimmt nicht pornographisch im engeren Sinne, wenngleich seine ungestüme Mischung aus Religion, Wahn, Sadismus und unterdrückter Sexualität im 18. Jahrhundert definitiv unzüchtiges Interesse weckte. Falls jedoch Savitri und ihr Ehemann solch ein Buch für einen wertvollen Beitrag zu den Kriegsanstrengungen der Achsenmächte hielten, dann schiene es wahrlich, als seien sie närrische Sonderlinge gewesen.

Doch vielleicht war genau das ihre Absicht. Vielleicht war dies nur eine Tarnung für ihre weitaus effektivere und gefährlichere Arbeit für die Japaner. Banerjee fährt fort: „In jenen Tagen überraschte es mich, daß die Briten weder meinen Onkel noch meine Tante als feindliche Agenten verhafteten. Schließlich war es kein Geheimnis, daß mein Onkel für die Italiener gearbeitet hatte.“ Laut Savitri Devi war Mukherji von den Briten durchaus wegen des Verdachts auf Spionage verhaftet, jedoch wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Vielleicht hatte man ihn teilweise deshalb freigelassen, weil er und Savitri den Ruf gepflegt hatten, harmlose Exzentriker zu sein, deren Anstrengungen zugunsten der Achse erbärmlich uneffektiv waren. Vielleicht waren die Briten von den drohenden Übersetzungen der Bücher Diderots und Voltaires nicht eingeschüchtert genug.

Subrata Banerjee glaubte, daß sein Onkel der Verhaftung entronnen sei, weil er insgeheim für die Alliierten arbeitete:

Ich hatte das Gefühl, daß er ein Doppelagent sei. Ich klagte ihn an, ein internationaler Spion zu sein. Er war nie wütend auf mich, daß ich so etwas sagte, tat die Anschuldigung aber mit einem von Herzen kommenden Lachen ab. Ich konnte nie ganz sicher sein, hatte aber das starke Gefühl, daß ich richtig lag. Mein Verdacht ist nun erhärtet worden, wie ich aufgrund der mir durch Presseberichte bekannten Schriften meiner Tante aus jüngerer Zeit denke.

Hier hat Banerjee Unrecht. Nichts in Savitris Schriften oder Interviews legt die Vermutung nahe, daß Mr Mukherji ein Doppelagent war. Allerdings hat Savitri in der Tat behauptet, daß er in Kontakt mit nationalistischen Indern des britischen Nachrichtendienstes gestanden habe, aber an diese habe er keineswegs Informationen weitergegeben, sondern vielmehr Informationen von diesen erhalten. (Diese Tatsache, die ich aus Savitris Interview von 1978 herausgelesen habe, ist, soweit ich weiß, bisher noch nicht veröffentlicht worden.)11

Mukherjis politische Allianzen verschoben sich über die Jahre hinweg durchaus. Er durchreiste für zwei Jahre die UdSSR. Anschließend näherte er sich der antisowjetischen Linken an, dann den Italienern, dann den Deutschen, dann den Japanern. Nach dem Zweiten Weltkrieg umwarb er erneut die Kommunisten — während er zeitgleich Savitris nationalsozialistische Bücher Gold in the Furnace und Defiance veröffentlichte.12 All das erweckt gewiß den Eindruck, wechselhafter Loyalität. Aber es könnte auch Hinweis auf einen Wechsel der Allianzen sein, während seine Loyalität gleichblieb. Ich hielte es für naheliegend, Mukherji in ähnlichem Licht wie seinen zeitweisen Kampfgefährten Subhas Chandra Bose zu sehen. Mukherjis einzige Loyalität galt — ebenso wie Boses — einem freien und unabhängigen Indien. Um sein Ziel zu erreichen, war Mukherji — ebenso wie Bose — willens, sich mit den Feinden des britischen Empire zu verbünden — mit jedem Feind, zunächst mit den Sowjets, dann mit den Achsenmächten —, und Mukherji war willens, seine Allianz zu verschieben, wann immer dies seinem vorrangigen Ziel dienlich war.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor Subrata Banerjee den Kontakt mit Savitri. Er traf sie erst 1980 oder 81 wieder, als sie in Neudelhi lebte. Sie erzählte ihm von ihrer Verhaftung, Verhandlung und Gefängnishaft 1949 in Deutschland, wo sie nationalsozialistische Propaganda verbreitet hatte: „Mein Onkel befreite sie, offensichtlich mit Hilfe seiner ‚Nachrichtendienst- Kontakte‘, aus der Haft. Das erzählte sie mir selbst.“ Savitri zufolge hatte Mr Mukherji genügend Einfluß, um Premierminister Nehru persönlich dazu zu bringen, um ihre Freilassung zu bitten.13 Der „General Index to Proceedings of the Home Department“ der indischen Regierung für das Jahr 1949 vermerkt, daß die Regierung der „Frage betreffs der Ausweisung nach Indien von [Mrs Savitri Devi Mukherji,] der gebürtigen deutschen [sic!] Ehefrau von Mr Asit Krishan [sic!] Mukherje [sic!]“14 nachging.

Subrata Banerjee enthüllt auch einige Details über Savitris Leben in Delhi, die sämtlich durch ihre erhaltene Korrespondenz und die Erinnerungen von Freunden, die sie dort besuchten, bestätigt werden:

In Delhi wohnte sie über einer Autowerkstatt in einem kleinen Zimmer, offenbar ein Hausangestelltenquartier, das vermietet wurde. Hier lebte sie alleine mit den Hunden und Katzen. Sie war in der Gegend bekannt als die memsahib [weiße Dame], die in den Straßen Katzen und Hunde fütterte. Dadurch konnte ich sie aufspüren. Die Wohnung roch nach fauligen Tiergerüchen.15 Zu einem späteren Zeitpunkt wurde mein Onkel krank und kam aus Kalkutta, um bei meiner Tante zu wohnen. Dort begegnete ich ihm nach langer Zeit wieder. Hier starb er auch einige Zeit später. Ich entsinne mich nicht an das exakte Datum. Ich war die einzige Person, die meine Tante unmittelbar nach seinem Tode in hiervon in Kenntnis setzte, und mein jüngerer Bruder vollzog die Beerdigungsriten.

Mr Mukherji starb 1977 zur Frühjahrstagundnachtgleiche (21. März 1977).

Subrata Banerjees Erinnerungen an Savitris letzte Lebensjahre stimmen mit anderen Berichten überein und fügen diesen eine eher traurige Episode hinzu:

Meine Tante war für einige Zeit in Delhi. Sie litt an Arthritis. Es fiel ihr schwer, sich umherzubewegen. Sie kam jedoch und besuchte uns gemeinsam mit einer europäischen Dame, die ihr half. Meine Tante deutete an, daß sie gerne mit uns leben würde, gemeinsam mit meiner Mutter, die bei uns wohnte. Leider konnte ich die Verantwortung dafür nicht auf mich nehmen, nicht nur aufgrund des begrenzten Platzes in unserer Wohnung, sondern auch weil meine Mutter selber krank war und der Pflege bedurfte. Die europäische Dame nahm sie [Savitri] bald darauf mit zurück nach Europa. Einmal erhielt meine Mutter einen Brief von ihr. Ich weiß nicht, was aus ihr wurde. Dann hörten wir eines Tages, daß sie verschieden sei.

Zusätzlich zu Arthritis litt Savitri am grauen Star, an Glaukom und an Entartung der Sehnerven. Überdies erlitt sie am 30. März 1981 einen Schlaganfall, von dem sie eine teilweise Lähmung ihrer rechten Körperhälfte zurückbehielt, was es ihr unmöglich machte, allein zu leben. Wahrscheinlich war es nach diesem Schlaganfall, als sie darum bat, bei Sumanta Banerjee und seiner Mutter leben zu können. Nach dem Schlaganfall wohnte Savitri einige Zeit zusammen mit ihrer französischen Freundin Miriam Hirn in Delhi. Sie wohnte auch in Jaipur mit einer ältlichen englischen Freundin, Crystal Rogers, zusammen, die ein Asyl für heimatlose Katzen und Hunde führte. Schließlich überredete Savitris deutsche Bewunderin Lotte Asmus sie, am 4. Oktober 1981 nach Deutschland zu fliegen. Das nächste halbe Jahr lebte Savitri bei Freunden und Kameraden in Deutschland, Frankreich, England und erlebte einige unglückliche Abstecher in Altersheime. Savitri starb in England am 22. Oktober 1982 im Hause ihrer alten Freundin Muriel Gantry.

Subrata Banerjees Schlußbetrachtung über Savitri ist interessant:

Savitri Devi war eine außerordentlich gebildete Person, die an der Sorbonne studiert hatte. Sie war die Verfasserin zweier Bücher, von denen sie uns Exemplare gegeben hatte. Ich kann sie unter unseren Büchern nicht mehr auffinden. Soweit ich mich erinnere, ging es darin um alte ägyptische Herrscher. Nun, da ich zurückblicke, erkenne ich, daß auch diese Bücher von ihrer nationalsozialistischen Philosophie gefärbt waren. Wie sie mir selbst erzählte, teilte ihre Mutter ihre Neigung zum Nationalsozialismus nicht und hatte mit der Widerstandsbewegung gegen die Nazis16 gearbeitet.

Ich konnte ihre fundamentalistisch-hinduistischen und nationalsozialistischen Ansichten nie akzeptieren, aber ich behalte meine Tante als eine sehr warmherzige und liebevolle Person in Erinnerung, ja sogar als eine liebenswerte, wahrscheinlich wegen ihrer Exzentrizitäten.

Zunächst ist da die Behauptung, Savitri habe an der Sorbonne studiert. Das ist wahrscheinlich falsch. Savitri erwarb zwei Universitätsabschlüsse und promovierte an der Universität von Lyons zum Dr. phil. Natürlich könnte Savitri Kurse an der Sorbonne besucht haben. Überdies war Savitris Doktorvater, Étienne Souriau, Professor an der Sorbonne.17 Deshalb traf sie ihn dort vielleicht bei der einen oder anderen Gelegenheit. Oder vielleicht schlußfolgerte Subrata Banerjee hieraus fälschlich, daß Savitri dort studiert habe. — Zweitens war Savitri die Verfasserin von mehr als zwei Büchern, doch wenigstens zwei ihrer Bücher waren dem Pharao Echnaton gewidmet, und diese mögen die beiden gewesen sein, die Savitri den Banerjees gab. — Drittens bezeichnet Subrata Banerjee wie auch sein Bruder Savitri als eine Exzentrikerin, betont jedoch, daß sie sowohl warmherzig und liebevoll wie auch liebenswert war. Dieser liebevolle und liebenswerte Charakter ist es wohl, der beide Brüder bewog, Savitris nationalsozialistische und hinduistische Überzeugungen als bloße Exzentrizitäten zu tolerieren.



1 Savitri Devi. And Time Rolls on: The Savitri Devi Interviews. hg., komm. u. mit einer Einl. vers. v. R. G. Fowler. Atlanta, Georgia: Black Sun Publications, 2005. S. 40 f. — Diese Quelle wird im weiteren als „ATRo“ bezeichnet.
2 ATRo, S. 93.
3 Brief Savitri Devis an H. J. vom 1. Oktober 1980 (Archiv des Verfassers).
4 ATRo, S. 26.
5 ATRo, S. 28.
6 ATRo, S. 29.
7 ATRo, S. 25–27.
8 ATRo, S. 27.
9 Ich habe folgenden Eintrag im General Index to Proceedings of the Home Department (1941), S. 36 gefunden: „Eastern Economist: Question of taking action against the monthly journal [The Eastern Economist] (organ of the Japanese Chamber) on account of its being medium for pro-Japanese propaganda. Suspension of publication of the journal until the war crisis is over. [Eastern Economist: Frage, ob etwas gegen die Monatszeitschrift {The Eastern Economist} (Organ der Japanischen Kammer) unternommen werden soll, da sie ein Medium für projapanische Propaganda darstellt. Einstellen der Veröffentlichung der Zeitschrift, bis die Kriegskrise vorüber ist.]“ Leider war die mit der Signatur F 44/19/41 – Poli (I) bezeichnete Akte über The Eastern Economist nicht ins indische Nationalarchiv (Indian National Archives) überstellt worden, und die Archivare vermochten nicht festzustellen, ob die Akte noch irgendwo in den Archiven des indischen Innenministeriums existiert.
10 Im August 1945 veröffentlichte Susil Gupta A. K. Mukherjis Hauptwerk: Asit Mukerji, Ph. D. (Lond.). A History of Japan: Cultural and Political. Kalkutta: Susil Gupta, 1945.
11 ATRo, S. 32.
12 Im Februar 1950 veröffentlichte A. K. Mukherji unter „Asit Mukerji, Ph. D. (Lond.)“ eine kleine Schrift mit dem Titel Pakistan Puts the Clock Back (Kalkutta: Uttarayan Limited, 1950). Die Broschüre behandelt die indisch-pakistanischen Beziehungen und ist allem Anschein nach von einem Kommunisten verfaßt. Auf Seite 3 nennt Mukherji beispielsweise Lenin „the greatest revolutionary leader of this century“ [„den größten revolutionären Führer dieses Jahrhunderts“], und auf Seite 11 schreibt er: „The termination of World War II has heralded a new era in the Balkans. The post-war people‘s democratic Governments have removed the last traces of British duplicity and cunning from the Balkan soil“ [„Die Beendigung des Zweiten Weltkrieges hat auf dem Balkan eine neue Ära eingeläutet. Die volksdemokratischen Regierungen der Nachkriegszeit haben die letzten Spuren britischer Falschheit und Verschlagenheit aus dem Boden des Balkans herausgespült“]. Doch zur gleichen Zeit, da er sich als Kommunist gerierte, bereitete Mukherji die Veröffentlichung der ersten beiden offen nationalsozialistischen Bücher Savitris vor: Defiance (Kalkutta: A. K. Mukherji, 1951) und Gold in the Furnace (Kalkutta: A. K. Mukherji, 1952).
13 In Defiance schreibt Savitri: „In einem Brief hatte ein alter indischer Freund mich davon in Kenntnis gesetzt, daß ein Telegramm an Pandit Nehru gesandt worden war, das die indische Regierung bat, zu meinen Gunsten zu intervenieren.“ (Defiance, S. 561).
14 Unglücklicherweise wurde die Akte zu diesem Vorgang (Aktenzeichen 96-F-II) nicht an das indische Nationalarchiv (Indian National Archives) überstellt, so daß ich sie dort nicht einsehen konnte. Selbst ob die Akte überhaupt noch existiert, konnten die Archivare nicht feststellen.
15 Wenngleich es etwas merkwürdig scheint, Savitri Devis Fähigkeiten der Haushaltsführung eine Anmerkung zu widmen, so sollte ich doch hinzufügen, daß zwei weitere Besucher Savitris Wohnung in Neudelhi besucht und über ähnliche Gerüche berichtet haben. (Einer möchte anonym bleiben, der andere ist Christian Bouchet; vgl. „An Interview with Christian Bouchet.“ In The Nexus, Nr. 6, November 1996, S. 5.) Savitri teilte ihre Wohnstatt mit drei bis fünf Katzen. Wenn gleich diese normalerweise nach draußen gingen, um ihr Geschäft zu erledigen, geschahen manch mal „Unfälle“, und der Gestank von Katzenurin ist nur schwierig wieder loszuwerden. Zu Savitris Verteidigung muß ich einige Umstände anführen: Erstens beschrieb eine Besucherin, die ich interviewte und die ebenfalls ungenannt bleiben möchte, Savitris Wohnung als ebenso spartanisch in der Einrichtung wie penibel in der Reinlichkeit. Also war die Wohnung nicht dauerhaft in schlechtem Zustand. Zweitens erwähnte Savitri in einem ihrer Briefe, daß es unter normalen Bedingungen ihre tägliche Gewohnheit war, den Boden ihrer Wohnung zu schrubben (Brief an Beryl Cheetham vom 6. September 1982, Archiv des Verfassers). Allerdings erwähnt sie in einem anderen Brief, daß sie nicht mehr die Kraft habe, ihre Wohnung „ordentlich“ zu putzen und es ihr nicht gelang, hierfür jemanden anzustellen, und zwar weil alle den Dreck der Katzen scheuten (Brief an O. L. vom 17. Dezember 1976, Archiv des Verfassers). Drittens erwähnt sie in einem anderen Brief, daß sie einige Wochen lang krank gewesen und ihre Wohnung nun ein „Schweinestall“ sei, weil sie nicht die Kraft habe, sie zu putzen (Brief an S. D. vom 21. Juni 1974, Archiv des Verfassers). Das heißt, es ist möglich, daß Subrata Banerjee, Christian Bouchet und andere Savitri besuchten, als diese krank beziehungsweise gerade eben von einer Krankheit genesen war und sich mit ihrer Haushaltung im Hintertreffen befand. Und schließlich bestätigte eine enge Freundin Savitris (die ebenfalls darum bittet, ungenannt zu bleiben), daß die Wohnung von Zeit zu Zeit nach Katzenurin roch, erklärte jedoch überdies, daß Savitri einen sehr schwach ausgeprägten Geschmacksund Geruchssinn gehabt habe; also sagten ihr ihre mangelhaften Sinne auch im besten Falle — wenn sie nämlich eine Verunreinigung durch die Katzen sogleich entfernte —, daß sie ihre Reinigung abgeschlossen habe, auch wenn Menschen mit schärferem Geruchssinn ihr etwas anderes erzählt hätten. Auch die Sinne von Leuten mit ganz normalem Geruchsempfinden stumpfen ab, wenn sie bestimmten Gerüchen ohne Unterlaß ausgesetzt sind. Der wichtige Punkt hier ist, daß Savitri in ihren späten Lebensjahren keineswegs ein abstoßender Mensch war, der es mit der Reinlichkeit nicht so genau nahm, sondern eine alte Frau, die manchmal nicht sogleich hinter ihren Katzen herputzen konnte, weil sie krank oder zu schwach war, und die die Säuberungen oftmals aufgrund ihres unzulänglichen Geruchssinnes nicht gründlich genug vornahm.
16 Gemeint sind offensichtlich die deutschen Besatzer Frankreichs, also die Wehrmachtsoldaten, nicht die Nationalsozialisten als solche. — A. d. Ü.
17 ATRo, S. 10 f. Aus der Art und Weise, wie Savitri auf den Tonbändern über Professor Souriau spricht, könnte man leicht annehmen, daß sie selbst an der Sorbonne studiert hat.